#60 Heilung ist nicht linear
Weg vom Alles oder Nichts Denken!
Im Laufe des Lebens sammeln wir alle ganz viel auf, was wir dann verarbeiten müssten, um mehr Potential zu erreichen und glücklicher zu sein, um zu heilen. Um zu heilen muss man nicht zwingend krank sein, wir können so auch unser innerliches Kind wieder stärken, wir können schlechte Erfahrungen aufarbeiten und Glaubenssätze loswerden, die uns nicht dienen.
Für mich persönlich war Heilung natürlich ein sehr wichtiges Thema, was so viel in meinem Leben geändert hat.
Als ich dann mich wieder gesammelt habe und wirklich offen für Heilung war, veränderte sich mit dem ersten Erkenntnis gleich die ganze Welt. Und dann kam noch eine, und noch eine und es hat mich ja fast süchtig gemacht, an mir zu arbeiten.
Und dann kam aber wieder ein Tief. Und ich dachte: Hä? Heile ich nicht grade? Wieso passiert das schon wieder? Irgendwann habe ich mich wieder stabilisiert, und dann kam wieder etwas dazwischen… Als ich dann letztendlich in der Klinik lag, dachte ich: Ich fange schon wieder von Null an. Aber dann, dann bin ich geheilt… Naja, das ging also eine Weile so und um ehrlich zu sein – ist immer der Fall. Denn: HEILUNG IST NICHT LINEAR.
Das war für mich eine harte Wahrheit, die ich lange gar nicht verstehen konnte. Ich dachte, entweder hab ich das jetzt im Griff, oder nicht. Wie kann das doch sein, dass es mir gut geht und dann aber auch wieder ganz und gar nicht.
Zum einen, ist es eben so mit chronischen Krankheiten. Und mit einer psychischen Krankheit wie bipolarer Störung so wie so: Es ist von Phasen geprägt, die kommen und gehen. Zum anderen, und das ist wohl noch viel wichtiger, Heilung ist ein Prozess, es ist ein Weg, der eigentlich mein ganzes Leben gehen wird. In meinem Kopf hatte ich aber Heilung sehr schwarz weiss betrachtet, alles oder nichts, ist oder ist nicht. Das alles oder nichts Denken ist wirklich hartnäckig und kann auch dem eigenen Selbstwertgefühl dramatisch schaden. Ich habe darüber auch in meinem Podcast geredet, du kannst es in der 42. Folge anhören. Ich finde das Thema auch sehr spannend, denn das Muster vom alles oder nichts wiederholt sich oft in unserem Leben. Solange wir in dieser Denkweise stecken, entscheiden wir uns zu leiden. Und das wollte ich nicht.
Psychische Krankheiten haben sooo viele Stigmas, so viele falschen Klischees, aber was mich persönlich auch sehr geprägt hat, war die falsche Vorstellung von Heilung. Ich dachte, ich nehme Medikamente, mache Therapie und dann bin ich vollständig, repariert und wieder gut.
Ich habe dann an meinem eigenen Leib gesehen, wie oft ich einen Schritt zurück gehe, weil mich etwas überwältigt hat, oder weil ich in dem Moment nicht genug Kraft hatte, oder einfach weil meine Krankheit zyklisch abläuft und ich wieder in einer bestimmten Phase bin. Nicht alles bedeutet auch gleich Rückschlag. Am Anfang meiner Heilung war ich dann immer sehr aufgeschmissen, als zum Beispiel wieder eine depressive Phase kam. Ich sah das als Niederschlag, als Scheitern oder sogar Versagen. Aber es war gar nichts davon: Es war lediglich eine Phase, die kommt und geht, und zu mir gehört.
Ich habe gelernt zu akzeptieren. Ich habe aufgehört, gegen mich zu arbeiten, mich klein zu reden oder mir etwas beweisen zu müssen. Das war ein Schritt, der mir sehr viel Kraft gegeben hat.
Und dann habe ich mich selbst genauer angeschaut. Wie gehe ich mittlerweile mit mir um? Ich habe dann bald bemerkt, dass auch wenn ich wieder depressiv, oder auch wieder manisch bin, gehe ich damit anders um. Ich habe Tools gelernt, ich weiss mehr über mich und meine Krankheit, ich bekomme immer mehr Kontrolle.
Und sogar bei konkreten Rückschlägen hat es mich nicht mehr so tief runtergezogen, seitdem ich verstehe, dass Heilung nicht linear ist.
Es gibt gute und schlechte Tage, es gibt gute und schlechte Phasen, manchmal mache ich wieder die gleichen Fehler, manchmal kommen neue dazu. Fakt ist: Ich verändere mich, mein Leben bewegt sich immer, und meine Baustellen, Traumata und Krankheitsbild bleiben bei mir. Ich lerne aber damit umzugehen. Alleine die Tatsache, dass ich zum Beispiel meine Phasen erkennen kann, bedeutet es, dass ich heile. Wenn ich getriggert werde, kann ich manchmal nicht mithalten, aber allein dadurch, dass ich danach weiter mache bedeutet auch Heilung. Dass ich jetzt darüber rede, bedeutet auch, dass ich einen Schritt weiter gegangen bin, oder dass ich um Hilfe frage, oder dass ich mir Raum und Zeit gebe, eine bestimmte Situation zu verarbeiten, ohne dass ich mich sofort als defekt sehe, oder nicht gut genug, oder nicht liebenswert… Klar, gibt es noch ganz viele offene Baustellen, und wie gesagt – manches kommt sogar noch dazu, aber das ist manchmal gar nicht zu meiden. Die einzige Konstanze im Leben ist die Veränderung. Wenn ich den Bereich A gut verarbeitet habe, aber Bereich B gescheitert ist, bedeutet es trotzdem nicht, dass meine Arbeit beim Bereich A nichtig ist. Weg von diesem schwarz weiss Denken!
Heilung ist nicht linear. Es ist nicht eine stetige Kurve, die nach oben geht. Es ist up and down, stockend und wieder fließend, langsam und schnell. Manchmal geht es sogar im Kreis bis wir wieder da ausbrechen, aber Heilung findet immer statt, wenn wir einfach dran bleiben. Es ist nicht etwas mit einem universellen Ziel, Heilung besteht nicht aus gleichen Schritten für jeden, Heilung hat keinen bestimmten Zeitraum, es geht darum, sich selbst mehr zu respektieren, zu lieben, und daran zu arbeiten, was uns im Leben Schmerz, Angst oder Sorgen bereitet, daran zu arbeiten, uns zu befreien, zu lösen, sich freier zu fühlen. Aber auch da bedeutet es nicht zwingend, dass wir den Schmerzen nie wieder verspüren werden. Wir lernen dazu, wie wir mit all dem, was is und um uns ist, besser umgehen können und uns unserem vollen Potential nähern.
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